Klage

Facebook und Datenschutz: Sammelklage gegen Sammelwut

Facebook geht rechtswidrig mit Nutzerdaten um, sagt Max Schrems. Heute entscheidet das Landgericht Wien, ob es eine Art Sammelklage des Juristen und Datenschutzaktivisten verhandelt. Ein Urteil könnte weitreichende Folgen haben.

Facebook sammelt unentwegt Informationen darüber, was seine Nutzer liken, auf welche Links sie klicken, mit wem sie befreundet sind, was wiederum die Interessen dieser Freunde sind – sprich: über alles was auf einem Nutzerkonto und drum herum passiert. So kann Facebook noch viele weitere Dinge über seine Nutzer herausfinden, die der Einzelne vielleicht sogar bewusst verborgen hat: Wenn zum Beispiel befreundete Nutzer Sympathien für eine Musikband oder auch eine politische Partei teilen, sagt diese Vorliebe mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch dem Rest der Clique zu.

Entsprechend zeigt Facebook seinen Nutzern zielgerichtet personenbezogene Werbung an. Diese Art von Personenprofilen ist nach Ansicht von Max Schrems nicht mit EU-Recht vereinbar. Er fordert 500 Euro Schadensersatz – für jeden von 25.000 Facebook-Nutzern, die sich einer Art Sammelklage des Österreichers Schrems angeschlossen haben.

Zwar sind in Österreich grundsätzlich keine Sammelklagen zulässig. Mit einem juristischen Trick haben die Unterstützer jedoch ihre Ansprüche abgetreten – an Schrems, der nun als Kläger auftritt. Im Fall eines Erfolgs will Schrems das geforderte Geld an seine Unterstützer weitergeben. Ihm gehe es um Bürgerrechte, sagt der Gründer der Initiative „Europe vs. Facebook“, die Öffentlichkeits- und Lobby-Arbeit für die Einhaltung europäischer Datenschutzstandards betreibt und sich dabei vor allem gegen US-Internetkonzerne wendet. Deren Geschäftsmodell basiert häufig darauf, dass ihre Dienste kein Geld kosten, sie sich aber mit persönlichen Daten ihrer Nutzer bezahlen lassen. Diese können sie über Werbung letztendlich zu Geld machen.

Ein Vorwurf von Schrems ist, dass europäische Politiker die hiesigen Datenschutzgesetze bewusst nicht durchsetzten, um die politische Stimmungslage zwischen der EU und den USA nicht zu verschlechtern. Denn eine sehr strikte Auslegung europäischen Datenschutzrechts oder auch ein Verbot der Übertragung von Nutzerdaten in die USA würde zum Beispiel die Überwachungspraktiken der US-Geheimdienste – Stichwort NSA-Skandal – deutlich beeinträchtigen.

Gericht entscheidet zunächst über eigene Zuständigkeit

Datenschutz-Beschwerden von Schrems in Irland, wo sich der Europa-Sitz von Facebook befindet, blieben bislang erfolglos. Nun also eine Klage in Wien – das macht laut einer Erklärung von „Europe vs. Facebook“ aber keinen großen Unterschied: Innerhalb der EU müssten alle Staaten rechtskräftige Urteile aus anderen Staaten anerkennen und durchsetzen. Heute entscheidet das Landgericht Wien zunächst, ob es sich für die im Raum stehenden Datenschutzverstöße bei Facebook zuständig sieht.

Sollte Schrems Recht bekommen, würde das Facebook zunächst rund 12,5 Millionen Euro kosten – ein verschmerzbarer finanzieller Schaden für das mit 1,4 Milliarden Nutzern weltgrößte soziale Netzwerk. Falls das Gericht oder eine höhere Instanz auch Facebooks Geschäftspraktiken oder Teile davon ausdrücklich für unzulässig erklären sollte, wären noch weitreichendere Folgen denkbar: Nicht nur für Facebook selbst, sondern auch für andere US-Internetunternehmen wie Google, Amazon oder Netflix, die ebenfalls nicht dafür bekannt sind, auf die Bedenken und Beschwerden der Datenschützer dieser Welt allzu viel zu geben.

Schrems klagt parallel vor dem EuGH

Parallel tritt Schrems derzeit auch in einem Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof als Kläger auf. Hier geht es um die Frage, ob US-Internetfirmen weiterhin im Rahmen des „Safe Harbour“-Abkommens Nutzerdaten aus Europa zur Verarbeitung in die USA übertragen dürfen. Eine wichtige Grundlage für dieses Abkommen, nämlich der Schutz der Nutzerdaten vor behördlichem Zugriff in den USA, ist nach Ansicht von Schrems nach den NSA-Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden nicht mehr gegeben.

Autor dieses Artikels ist Florian Regensburger vom Bayerischen Rundfunk.