Recht auf Vergessen: Google wehrt sich gegen weltweite Löschung von Suchtreffern
Trotz des europäischen Rechts auf Vergessen bleiben gelöschte Links auf Google-Seiten außerhalb der EU sichtbar. Datenschützer protestieren, der Konzern wehrt sich.
Trotz des europäischen Rechts auf Vergessen bleiben gelöschte Links auf Google-Seiten außerhalb der EU sichtbar. Datenschützer protestieren, der Konzern wehrt sich.
Ähnlich Apples „Health Kit“ testet auch Google bereits Apps, die Daten zu Körperfunktionen sammeln und auswerten können. Die entsprechende Pilotstudie „Baseline Study“ wird jetzt ausgeweitet. Ein neues Set von Apps, „Study Kit“ genannt, soll in diesem Jahr für Android, iOS und den Chrome-Browser kommen und weiter dabei helfen, herauszufinden, „was es bedeutet, gesund zu sein“.
Sie möchten alles über die Gewohnheiten von Mobiltelefonbenutzern erfahren? Big Data. Sie möchten bestimmte Zielkunden im Internet ansprechen? Big Data. Sie möchten das Geheimnis der erfolgreichsten Serien auf Netflix lüften oder herausfinden, ob in einem Viertel Schlaglöcher repariert werden müssen? Big Data! Mit dem richtigen Algorithmus und der richtigen Menge an Daten – so versprechen Unternehmen im Bereich der Analyse von Megadaten – können sie Antworten auf alle möglichen Fragen finden. Aber wer stellt diese Fragen? Und kann man sich bei der Entscheidungsfindung auf Algorithmen verlassen?
2015 ist das Jahr von Big Data. Das Konzept der Megadaten gibt es seit nunmehr 40 Jahren. Dem Wirtschaftsmagazin Forbes zufolge halten Big Data-Anwendungen jedoch in diesem Jahr Einzug in die Geschäftswelt und Unternehmensführung. Zahlreiche Unternehmen stellen sich auf Big Data ein und passen ihr Geschäftsmodell entsprechend an, um von neuen Chancen zu profitieren: unseren persönlichen Daten.
Mega-Datenverknüpfung
Statistische Analysen hat es immer gegeben. Anhand von Umfragen oder angekreuzten Feldern in einem Erfassungsformular kann mehr oder weniger genau die Wahrscheinlichkeit für die Wahl eines Kandidaten, die Anzahl der Autounfälle in einem Jahr oder die Art von Mensch bestimmt werden, die voraussichtlich einen Kredit zurückzahlt. Dabei können natürlich Fehler auftreten, aber die Zahlen helfen, gewisse Trends zu erkennen. Und anhand dieser Trends erhofft man sich eine Hilfe bei der Entscheidungsfindung.
Heute erzeugen wir diese Daten zu Quintillionen: Daten von Kreditinstitutionen, Cookie-Daten über das Navigationsverhalten von Usern (Episode 2), Informationen von Mobiltelefonen (Episode 04), 50 Millionen Fotos, 40 Millionen Tweets und Milliarden von täglich verschickten Dokumenten – ganz zu schweigen von den Daten, die durch Sportarmbänder, Gadgets und intelligente Geräte jeder Art erzeugt werden. Wie könnte man das anders nennen als Big Data?
Die wahre Revolution von Big Data besteht jedoch nicht so sehr im Umfang, sondern vielmehr in der Art und Weise, wie diese Daten heute miteinander verknüpft werden können. Abgesehen von den Dingen, die sie (oftmals gegen unseren Willen) über uns aussagen, sind es die zahlreichen Korrelationen und Verknüpfungen, die eine Vorhersage der Gewohnheiten und Benutzerverhalten ermöglichen. Sie wollen Ihre Meinung online mitteilen? Eigentlich interessiert das niemanden. . Aber zu wissen, welche Worte Sie mit wem über welches soziale Netzwerk und um welche Uhrzeit austauschen, das ist von Interesse und zahlt sich aus.
Kategorisieren, um die Dinge besser zu lenken
Um in diesem Daten-Dschungel den Durchblick zu behalten wird die Bevölkerung mit Hilfe von Algorithmen kategorisiert. So lässt sich z. B. lediglich anhand einer Postleitzahl das Durchschnittsgehalt eines Verbrauchers vorhersagen. Die Agenturen Esri und Claritas behaupten sogar, allein aus dieser Information das Bildungsniveau, die Lebensweise, Familienzusammensetzung und das Konsumverhalten einer Person ableiten zu können. Und 2012 hat das Unternehmen Target von sich reden gemacht, als es die Schwangerschaft einer Jugendlichen vorhersagte, noch bevor ihre Eltern informiert waren – nur weil sie bestimmte Körperlotionen, Vitamine und Gegenstände in bestimmten Farben gekauft hatte.
Damit die Algorithmen jedoch angemessen funktionieren, sind immer präzisere Kategorien für die Klassifizierung von Individuen erforderlich. Und genau hier lauert die Gefahr der Diskriminierung. Denn so einfach lässt sich der Mensch eben nicht in Schubladen stecken.
Vorhersage und Diskriminierung
Wie Kate Crawford in einem Interview in Episode 05 betont, sind es die Minderheiten und ohnehin schon diskriminierten Bevölkerungsgruppen, die am meisten von Vorhersagefehlern betroffen sind. Je mehr ein Individuum der „Norm“ oder einer vorgegebenen Kategorie entspricht, desto besser können seine Daten ausgewertet werden. Doch was geschieht, wenn man sich am Rande der Gesellschaft bewegt? Was passiert mit denjenigen, die sich nicht gemäß den Vorhersagen von Amazon, Google oder Facebook verhalten?
Erst kürzlich hat Facebook zahlreiche Benutzer verärgert, als schlagartig entschieden wurde, eine der Nutzungsbedingungen des Unternehmens strikt anzuwenden. Besagte Bedingung schreibt vor, dass ein Benutzer seine wahre Identität verwenden muss. Damit verfolge man das Ziel, so das Unternehmen, für eine sicherere Umgebung zu sorgen, in der Hasstiraden eingegrenzt würden. Das erreichte Ziel war jedoch eher die Entfernung der Konten von Transgendern, Dragqueens, Ureinwohnern und Überlebenden von ehelicher Gewalt – unter dem Vorwand, diese Konten zeigten nicht den richtigen Namen. Eine Verletzung sowohl der Grundrechte als auch des Rechts auf Privatsphäre.
Und wie steht es um die Diskriminierungen und Vorurteile, die durch die Algorithmen noch verstärkt werden? Im Jahr 2014 klingelt die Polizei von Chicago bei dem jungen Robert McDaniels. „Wir haben dich im Auge, Bürschchen“, warnen ihn die Polizisten. Ein vom Illinois Institute of Technology entwickelter Algorithmus hatte den 22-Jährigen auf die Liste der 400 potenziell Kriminellen gesetzt – ausgehend von kompilierten Daten über sein Viertel, die Kreuzungen, an denen kurz zuvor Gewalttaten geschehen waren und das Maß, in dem er sich von Verbrechern fernhielt. Fast schon Science-Fiction … Und was, wenn ein Interpretationsfehler vorläge? Wie könnte man das wieder gut machen?
Testen Sie selbst
Ehrlich gesagt: Es ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, in Erfahrung zu bringen, wie unsere Daten kategorisiert werden – und noch schwieriger, der Kategorisierung zu entkommen. Alles hängt vom Unternehmen, dem verwendeten Algorithmus und den gesuchten Informationen ab. Einige Tools vermitteln jedoch einen kleinen Eindruck von der Art und Weise, wie das Internet uns kategorisiert:
Sandra Rodriguez
Alle scheinen sich einig: Big Data ist die Zukunft. Die einen jubeln über die vielen neuen Möglichkeiten, die anderen haben Angst vor noch mehr Überwachung. Big Data könnte tatsächlich vieles verändern.
Regulierung und Datenschutz: Google-Chef Larry Page übt scharfe Kritik am europäischen Widerstand gegen dentechnischen Fortschritt: „Gerade in Europa scheint es leicht, die grundlegende Physik einer Frage zu ignorieren und zu behaupten, es ist schon in Ordnung, wenn Dinge hier doppelt so viel kosten wie anderswo. Diese Haltung macht mir große Sorgen, weil sie Unternehmern die Arbeit erschwert“, sagt Page der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Droht uns die Filter Bubble online wie offline? Wenn ja, wie finden wir wieder heraus? Oder haben Informationsblasen womöglich auch Vorteile? So oder so: Gefilterte Inhalte und von Algorithmen gelenkte User erfordern Mediensouveränität von jedem Einzelnen und von der Gesellschaft.
Der Hamburgische Beauftrage für Datenschutz und Informationsfreiheit hat in der vergangenen Woche gegenüber der Google Inc. zur Beseitigung von Verstößen gegen das Telemediengesetz und das Bundesdatenschutzgesetz eine Verwaltungsanordnung erlassen.
Last Comments